Mercedes Vorstand Ola Källenius im Gespräch mit Jean Heuser von GREEN / DIE ZEIT

Im Idealfall ist der Mercedes Konzern bis 2039 bereits Klimaneutral. So beschreibt es Ola Källenius, Vorsitzender des Vorstands bei der Daimler AG und bei der Mercedes-Benz AG im Gespräch mit Dr. Uwe Jean Heuser, dem Ressortleiter von GREEN / DIE ZEIT. In die gleiche Richtung bewegt sich laut Albrecht Reimold, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG, auch das Unternehmen aus Stuttgart. Wir schauen in diesem Beitrag, wie sich einer der größten Automobilhersteller der Welt den Prozess der ökologischen Transformation vorstellt, wo Herausforderungen liegen, wie man auf diesen Überlegungen weiter aufbauen kann und worin gemeinsame Chancen für Wirtschaft und Umwelt liegen könnten.
Die Beiträge wurden 2021 im Rahmen der Thementage »ZEIT für Klima« aufgezeichnet, Veranstalter waren DIE ZEIT und die KfW.
Referent:innen:
Dr. Rainer Esser, Geschäftsführer, ZEIT Verlagsgruppe. Ola Källenius, Vorsitzender des Vorstands, Daimler AG und Mercedes-Benz AG. Dr. Jürgen Perschon, Gründer, African E-Bike. Cesar Prados, Chief Technology Officer, Circunomics GmbH. Albrecht Reimold, Vorstand Produktion und Logistik, Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG. Stefan Wintels, Vorsitzender des Vorstands der KfW. Dr. Uwe Jean Heuser, Ressortleiter Green, DIE ZEIT.
Die grüne Wende hat längst begonnen
Die Zukunft, sagt Ola Källenius, ist aus Sicht von Mercedes elektrisch. Die Herausforderung der nahen Zukunft ist dementsprechend der Wechsel von fossiler zu elektrischer Energie – egal, ob es um den Antrieb der Autos auf der Straße oder um die Produktion der Fahrzeuge geht. Die zeitlichen Pläne für diesen Transformationsprozess entsprechen ungefähr den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens, die globalen Umweltemissionen bis 2050 drastisch zu reduzieren. Der Weg zum klimaneutralen Unternehmen führt den Konzern also von der Neuausrichtung der Produktionsstätten auf erneuerbare Energien über effizientere Produktionsmethoden bis hin zum Austausch des Fuhrparks. Während es sich unternehmensintern aber noch vergleichsweise einfach darstellt, die entsprechenden Prozesse nachvollziehbar umweltfreundlich und transparent zu gestalten, wird dieses Vorhaben kompliziert, wenn man eine internationale Supply Chain mit in Betracht zieht.
Große Konzerne wie Mercedes haben zwar die Möglichkeit, ihre Zulieferer über das Vertragswerk an bestimmte Richtlinien zu binden, aber die Gesetzeslage bezüglich z.B. der Dokumentationspflichten von Unternehmen sind im weltweiten Vergleich noch so unterschiedlich, dass es im Zuge globalisierter Versorgungswege schwierig ist, Zuliefererangaben hinsichtlich ihrer eigenen Produktionsketten verlässlich zu überprüfen. An dieser Stelle, so Källenius, sei stärkere Zusammenarbeit zwischen Industrie, Wirtschaft und Politik gefragt. Innovative Ideen, technisches Know-How und guter Willen seinen auf Seiten der Industrie eindeutig vorhanden. Um Wirtschaftlichkeit mit Umweltschutz aber effektiv zu verbinden, bedarf es aber auch politischer Rahmenbedingungen, die dieses Vorhaben erleichtern und unterstützen.

Internationale Standards für Emissionshandel
Eine Herausforderung, die es auf diesem Weg noch zu meistern gibt, wäre z.B. die Einführung internationaler Standards für den Umgang mit CO2 Emissionen. Weder gibt es international einheitliche Preise beim Emissionshandel, noch gibt es verbindliche Standards für Berichterstattung und Accounting, die eindeutig nachvollziehbar machen könnten, ob eine durch Emissionshandel „neutralisierte“ Tonne CO2 auch tatsächlich eingespart wurde. Genau das wären aber mögliche Ansatzpunkte, wo Politik und Industrie zusammenarbeiten könnten, um Umweltschutz in der Industrie besser organisieren und effizienter umsetzen zu können. Albrecht Reimold, Mitglied im Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG, beschreibt die Hürden, die mit der Umsetzung von internationalen Richtlinien verbunden sind, an einem vergleichsweise einfachen Beispiel aus der Produktion:
Allen individuellen Ausführungen der jeweiligen Automarken zum Trotz gibt es nach wie vor diverse Schnittstellenapplikationen, die im Prinzip jeder Hersteller in seinen Fahrzeugen verbaut. Demzufolge wären internationale Standards für diese Anwendungen ein großer Beitrag zu einer kostengünstigeren und effizienteren Produktion. Trotzdem arbeiten die einzelnen Unternehmen immer wieder mit individuellen Lösungen, die sie entweder selbst für sich entwickeln oder entsprechend angepasst einkaufen müssen. Die Gründe dafür sind von Fall zu Fall verschieden und reichen von technischen Fragen bis zu Herausforderungen bei Verwaltung und Organisation, gehen von rechtlichen Bedingungen weiter bis zu individuell strategischen Gründen wie lokalem Protektionismus oder künstlich verstärkter Nachfrage. Mit Blick auf das internationale politische Geschehen hinsichtlich mehr Umweltschutz bei Wirtschaft und Industrie gestaltet sich die Sachlage um ein vielfaches komplexer, aber die strukturellen Herausforderungen sind damit recht anschaulich in ihren Grundlagen umrissen. Das deutsche Umweltbundesamt schreibt dazu:
Auch wenn sich die Herausforderungen im Einzelnen unterschiedlich darstellen, so wird doch vor allem deutlich, dass die notwendigen Veränderungen nicht innerhalb einzelner Politikfelder, nicht innerhalb einzelner Branchen und auch nicht auf Initiative einzelner Personen oder Organisationen umgesetzt oder aber verhindert werden können. Was aus ökologischer Sicht unumgänglich ist und mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens politisch verankert wurde, impliziert tiefgreifende Transformationen in den Strukturen von Wirtschaft und Gesellschaft.
Kunden wollen den Markt genauso einschätzen wie Unternehmen
Was für die Unternehmen gilt, greift auch bei den Kunden. Genauso, wie Unternehmen möglichst genau wissen wollen, wohin sich die Gesetzeslage entwickelt, um besser einschätzen zu können, ob sich Investitionen in die Umstellung ihrer Produktionsketten auszahlen können, wollen die Kunden der Autohersteller wissen, dass sich der Kauf eines bestimmten Fahrzeugtyps auch über längere Zeit hinweg als die richtige Entscheidung erweist. Dies beginnt bei Preisen und Steuern, die für das Auto und dessen Verbrauch anfallen, geht über die Frage nach der Reichweite der Fahrzeuge und reicht bis zum Servicenetzwerk um sie herum. Individualverkehr ist ein großes Bedürfnis der Kunden und allein die Ladeinfrastruktur für E-Autos war in Deutschland aufgrund von rechtlichem Rahmenwerk lange Zeit nicht in dem Maße ausweitbar, wie man es für ein Serviceangebot gebraucht hätte, welches die Kunden erwarten.
Das ist, so Källenius, heute anders und in Zusammenarbeit mit der Politik ist die Industrie nun Stück für Stück auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit. Die Gespräche mit der Politik hätten lange Zeit unter dem Oberthema „Flottengrenzwerte“ stattgefunden. Diese regeln, wie hoch die durchschnittlichen CO2-Emmissionen aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge sein darf. Wir sind nun aber an einem Punkt angelangt, an dem die Automobilindustrie die Elektromobilität rasant ausbaut und das primäre Thema seien nun gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Ausbau von Infrastrukturen vereinfachen, welche wiederum eine flächendeckende Versorgung mit E-Energie gewährleisten können. Im Bestfall würden im Sinne von Källenius damit sogar die Weichen gestellt, um im Zuge der Energiewende die weltweiten Stromnetze aufzuwerten und ein Servicenetzwerk garantieren zu können, dass sich mit den existierenden Infrastrukturen der fossilen Energien messen kann. Wenn die Politik sich um die gesetzlichen Rahmenbedingungen kümmert und eine Erneuerung der Netzwerke vereinfacht bzw. sogar notwendig macht, sagt Källenius, kann die Industrie ihren Teil beitragen und Produkte entwickeln, die auf diesen Netzen aufbauen und umweltfreundlicher sind, als die bisherigen.

Zirkuläre Wirtschaft als Weg in die Zukunft
Die fossilen Energien decken heute immer noch ca. 80% des Energiebedarfs der Menschheit, obwohl sie für einen Großteil der weltweiten Umweltbelastung verantwortlich sind. Auch wenn, so Källenius, die dringlichste Aufgabe der Gegenwart die Reduzierung von CO2 Emissionen ist, dürfen wir darüber hinaus aber auch den Umgang mit den uns zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht aus den Augen verlieren. Circular Economy, zirkuläre Wirtschaft, ist hier ein viel diskutiertes Konzepte für die Zukunft. Technisch und organisatorisch wird dieser Prozess von Mercedes aber als noch komplizierter und anspruchsvoller als die Umstellung auf eine klimaneutrale Produktion eingeschätzt, weil dadurch weitere Einzelposten in den Kreislauf zwischen Politik, Herstellern und Zulieferern nachvollziehbar integriert werden müssen, als es bisher schon der Fall ist. Das Ziel muss es laut Källenius sein, Wirtschaftswachstum langfristig von Ressourcennutzung zu entkoppeln. Ein Mercedes ist zum Beispiel zu über 90% recyclebar, aber die Wagen werden aktuell noch erst mit bis zu 30% aus wiederverwendetem Material gebaut. Diesen Wert zu erhöhen, gehört zu den dringend notwendigen Schritten auf dem Weg zu ökologisch nachhaltiger Wirtschaft.
Um Circular Economy aber wirklich sinnvoll in Geschäftsmodelle zu integrieren, müssen so viele Posten einer Produktionskette wie möglich nachvollziehbar ineinandergreifen. Eine gute und gezielte Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie ist dafür kaum erlässlich. Es gibt aber auch Geschäftsideen, die sich nicht primär durch eine direkte Einwirkung von internationalen Konzernen oder bestimmten gesetzlichen Zwängen ergeben. Vielmehr entwickeln sich immer mehr unabhängige Geschäftsideen, die aufgrund einer Marktsituation möglich werden, die sich aus der generellen Tendenz zu mehr Umweltschutz auf Seiten von Industrie, Politik und Kundenverhalten ergeben. Das Unternehmen Circunomics bietet z.B. einen Marktplatz zur Wiederverwendung von Batterien, die ihre Lebensspanne für den Gebrauch in E-Autos überschritten haben. Das Unternehmen schätzt, dass die Masse von E-Autobatterien von einem noch kleinen Prozentsatz in 2020 auf bis zu ca. 400 Millionen Tonnen gebrauchter Batterien in 2025 steigen wird, für die es noch keinen klar formulierten Plan zur Entsorgung oder gar zum Recycling gibt. Laut Circunomics haben gebrauchte E-Auto Batterien im Durchschnitt aber immer noch eine Restkapazität von 70-80% Leistung und können nach ihrem ersten Lebenszyklus noch bis zu 15 Jahre für stationäre Energiespeicher-Applikationen genutzt werden.
An diesem Beispiel lässt sich zeigen, wie zirkuläre Wirtschaft funktionieren kann, wenn mehrere Unternehmen ein individuell gestaltetes Eigeninteresse an nachhaltigen Produktionsketten haben. Der Mehrwert der Services, die Circunomics anbietet, erschöpft sich nicht allein mit dem Recycling der gebrauchten Batterien. Es gehört zum Geschäftsmodell, die Batterien während ihres ersten Lebens digital zu überwachen, um jederzeit Aussagen z.B. über ihre aktuelle Leistungsfähigkeit treffen zu können. Die Daten werden gesammelt und von AI-Systemen ausgewertet, so dass Prognosen über das Ende der ersten Lebensspanne einer Batterie, ihre Restleistungsfähigkeit und ihre erwartete Lebensspanne im zweiten Leben zur Verfügung stehen. Diese Informationen könnten wiederum den Kunden von Circunomics zur Verfügung gestellt werden, was wiederum Langzeitplanungen auf Grundlage dieser Daten ermöglichen würde.
Smarte Technik als Gegengewicht zum steigenden Energieverbrauch
Recycling und damit einhergehend der effizientere Umgang mit Ressourcen ist die Basis für Vorschläge, wie wir mit dem global weiter ansteigenden Energiebedarf der Menschheit umgehen können. Ola Källenius geht davon aus, dass der globale Energieverbrauch aufgrund smarter Technologien, die Ressourcen effizienter nutzbar machen, trotz einer wachsenden Zahl von Anwendungen weniger steil ansteigen wird, als man es zunächst vermuten würde. Der Großteil des Bruttobedarfs an Energiewachstum würde innerhalb dieses Szenarios nämlich überwiegend dort stattfinden, wo die Produktionsbedingungen noch nicht auf einem vergleichbar smarten Stand der Technik sind. Neben umwelttechnischen Vorteilen werden mit der sukzessiven Umrüstung der internationalen Energie-, Service- und Versorgungsnetzwerke also auch neue Geschäftsfelder antizipierbar, welche den Prozess der Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcennutzung als Grundlage haben.
Das Potential, den damit entstehenden Bedarf an technologischen Neuentwicklungen zu decken, versteht Källenius mit Blick auf die Innovationshistorie von Mercedes genauso wie auf den technologischen Fortschritt, den wir als Menschheit insgesamt bereits geleistet haben, als theoretisch unbegrenzt. In Kombination mit politisch gesetzten Rahmenbedingungen, die transparente und umweltgerechte Liefer- und Versorgungsketten in wirtschaftlich notwendige Geschäftsgrundlagen umwandeln, werden Lösungsansätze für die umwelttechnischen Herausforderungen der Gegenwart wie auch der Zukunft in greifbare Nähe gerückt. Die Teilnehmer des Frankfurter Roundtables senden hier ein wirtschaftlich wie umwelttechnisch positives Signal und bekräftigen damit, dass Investitionen in grüne Technologien und entsprechende Infrastrukturen gleichermaßen von der Politik wie von der Industrie gefördert werden.
Finanzielle Vorteile durch grüne Unternehmensphilosophie

Die Ciconias Gruppe setzt mit ihrem Geschäftsmodell an dieser Stelle an und investiert in Unternehmen, die sich dieser Situation nicht nur bewusst sind, sondern auch flexibel genug sind, um dem Wandel von Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit und Umweltschutz gerecht werden zu können. Es reicht nicht, sich ein grünes Motto auf die Fahnen zu schreiben, wenn man langfristig an den finanziellen Möglichkeiten teilhaben möchte, die sich durch die ökologische Transformation ergeben. Es geht darum, sich frühzeitig so zu positionieren, dass man keine Nachteile aufgrund von Umweltauflagen für Produkte sowie Produktions- und Versorgungsketten in Kauf nehmen muss, Förderungen für vorbildliche Unternehmensstrukturen in Anspruch nehmen kann und Services bereitstellen kann, die anderen Unternehmen helfen, ihre eigenen Umweltziele zu erreichen. Neben den Vorteilen, die sich für die jeweiligen Unternehmen aus der Umsetzung dieser drei Punkte ergeben, sehen wir darüber hinaus auch einen starken Anreiz, Kapital in die Ciconias Gruppe zu investieren. ESG-Faktoren (Environment, Social, Governance) haben sich bereits zu eigenständigen Maßstäben entwickelt, wenn es darum geht, die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen am Kapitalmarkt zu bewerten und werden unserer Ansicht nach noch weiter an Gewicht gewinnen.
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